„Cyber-Attacken gab es immer schon“
31. August 2023 – Karl im Brahm, CEO bei der deutschen Einheit des Softwareanbieters, spricht im Interview mit Finanzwelt-Redakteurin Lisa Brunner über innovative Lösungen in den Bereichen Wealth Management, Asset Management und Bankwesen.
Objectway, eines der Top-100-Fintech-Unternehmen, unterstützt seit seiner Gründung im Jahr 1990 Finanzinstitute mit modernster Technologie bei der Umsetzung ihrer digitalen Transformationsprogramme. Das Unternehmen liefert intelligente und cloudfähige Lösungen, die das Kundenengagement steigern sowie die Produktivität im Front-Office und die Prozesseffizienz im Back-Office optimieren.
finanzwelt: Stellen Sie sich und Ihr Unternehmen doch bitte einmal vor, was macht Objectway?
Karl im Brahm: Das mache ich gerne. Mein Name ist Karl im Brahm, ich bin CEO von Objectway in der DACH-Region. Ich verantworte das Geschäft von Objectway in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Objectway ist ein Top-100 global FinTech-Unternehmen im Bereich Software und Service. Wir bieten europaweit Software für Banken, Asset- und Wealth-Manager. Objectway selbst hat rund 800 Mitarbeiter, wir operieren in 16 Ländern und erwirtschaften im Schnitt 100 Mio. Euro Umsatz. Unser Angebot umfasst Front-to-Back-Lösungen in verschiedenen Modellen wie SaaS (Software-as-a-Service, a.d.R.) oder BPaaS (Business-Process-as-a-Service, a.d.R.). Das heißt für alles, bei dem Kunden Banken, Asset- und Wealth-Manager erleben, bieten wir eine Lösung.
finanzwelt: „Front to back”, d.h. auch das Speichern und Verarbeiten von Datenverarbeitung. Das läuft dann alles über Objectway?
im Brahm: Das hängt immer vom Geschäftsmodell ab, mit dem wir mit dem jeweiligen Kunden zusammenarbeiten. Im Regelfall sind die Banken selbst für den Datenhaushalt verantwortlich. Wenn wir mit Kundendaten arbeiten, erfolgt das immer auf dem „höchsten Sicherheitsstand” in der Softwareentwicklung aber auch im Handling der Daten. „Höchster Sicherheitsstand” in Anführungszeichen, weil die Welt sich immer wieder ändert und man sich stets auf den neusten Stand bringen muss. Arbeiten wir mit einem Kunden in einem SaaS-Modell, managen wir den Datenhaushalt, allerdings immer nach den Vorgaben der Banken bzw. unserer Kunden.
finanzwelt: Wie garantieren Sie Datensicherheit?
im Brahm: Datensicherheit kommt über diverse Maßnahmen. Sie fängt bei den Mitarbeitern und ihrem Umgang mit Kundendaten an. Es bedarf immer eines Trainings der Mitarbeiter, sie müssen regelmäßig geschult und informiert werden, vom Management bis in alle anderen Ebenen. Im Regelfall geht es für uns dann auch darum, wie wir gemeinsam mit dem Kunden und seinen Daten arbeiten. Das erfolgt oft über eine gemeinsame Infrastruktur, das Stichwort hier ist Netzwerksicherheit. Standardmaßnahmen sind dafür beispielsweise Firewalls und Zwei-Faktor-Authentifizierungen, die man im Software-Entwicklungsprozess gemeinsam mit den Kunden durchführt. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Datenverschlüsselung, aber auch das ist Standard im Softwareentwicklungsprozess. Zusätzlich müssen sich Banken, Asset- und Wealth Manager auf Krisenfälle vorbereiten. Dafür wird ein sogenannter Incident-Response-Plan erstellt, der zu befolgen ist wird, wenn ein Datenmissbrauch festgestellt wird. Der Regulator gibt dabei feste Vorgaben, die eingehalten werden müssen, z.B. die Einberufung eines Krisenstabs. Außerdem geht es auch um Prävention, Datenmissbrauch zu verhindern. Unsere Kunden und auch wir lassen sich regelmäßig extern auditieren. Dabei wird überprüft, wie der Umgang mit Daten erfolgt und ob es Schwachstellen gibt, die dann ausgemerzt werden können. Es gibt immer ein Risiko, deshalb muss man sich, wie bereits erwähnt, immer weiterentwickeln.
finanzwelt: Kam es in der letzten Zeit auch vermehrt zu Cyber-Attacken und wenn ja, seit wann?
im Brahm: Cyber-Attacken gab es immer schon. Aber wir stellen seit ca. 2019/2020 durchaus einen Anstieg fest. Sicherlich wird das über den Ukraine-Konflikt verstärkt, zumindest in der Wahrnehmung. Es gibt prominente Beispiele aus Deutschland, die öffentlich bekannt sind, z.B. wurde 2020 die Sparkassen-Gruppe mit eine DDoS-Attacke angegriffen (Distributed Denial of Service, a.d.R.). D.h. über eine Vielzahl von Zugriffen wurden Systeme überlastet. Die Deutsche Bank wurde 2019 angegriffen, die N26 im Jahr 2020. Mittlerweile werden auch IT-Dienstleister der Finanzbranche wie CompuCom, ein Serviceprovider für große Wholesale-Banken, oder im Herbst 2020 Finastra, die 9.000 Banken serviciert, angegriffen. Cyberkriminalität ist auch in der Finanzindustrie angekommen. Aber auch hier gelten all die Maßnahmen, die ich gerade aufgezählt habe. Es ist wichtig , sich stets weiterzuentwickeln und immer wieder auf neue mögliche Attacken einzustellen. Cybersecurity als solches ist ein Mega-Trend, dem sich auch die Finanzindustrie stellen muss. Genau wie die Themen Open Banking, Cloud Computing oder AI (engl.: Artificial Intelligence, KI zu Deutsch, a.d.R.).
finanzwelt: Damit haben Sie die nächste Frage quasi bereits beantwortet: Welche Trends und Entwicklungen zeichnen sich für dieses Jahr ab?
im Brahm: Für dieses Jahr ist zu kurz gesprochen. Die Trends, die ich gerade genannt habe, also Cloud Computing, Artificial Intelligence, Blockchain, DLT-Technologie, Cybersecurity, Open Banking, die können wir bereits seit mehreren Jahren identifizieren. Banken befassen sich damit auch schon länger und setzen entsprechende Maßnahmen sukzessive um. Die Themen, die an der „Front” stattfinden, liegen besonders im Fokus der Banken. Aktuell gilt es kontinuierlich die Customer Experience zu erhöhen und die digitale Transformation voranzutreiben, gerade auch im Kontext von: Wie agiere ich mit meinen Kunden. Da spielt nämlich der Wettbewerb. In Deutschland gibt es 1.700 Banken, neun Trillionen Assets, die Anzahl der Banken ist rückläufig, es findet eine Konsolidierung statt, während die Assets steigen. Die aktuelle Zinspolitik der EZB stellt den Markt vor weitere Herausforderungen. Im Banking herrscht ein Margenverfall, die Banken achten vermehrt auf ihre Kostenpositionen. Aber ganz wichtig: Wir stellen auch einen Anstieg des Kundenbedürfnisses nach einem kanalübergreifenden Angebot fest – Omnichannel. Und die entsprechende Lösung muss outstanding sein. Das bedeutet, dass Banken, die eine optimale Lösung bereitstellen, auch die Chance haben, Kunden im Lifecycle zu bedienen. Auch das ist ein Trend. Ein weiterer Trend ist „mobile first”, was längst kein Generationsthema mehr ist. Alle Generationen sind mittlerweile mobile first, auch darauf müssen Banken sich einstellen. Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, wechseln wir im B2B-Geschäft mit unseren Lösungen zunehmend vom klassischen Lizenzgeschäft zu einem Service-Geschäft. Das heißt SaaS ist das Stichwort – Software-as-a-Service. Das erhöht die Flexibilität unserer Kunden. IT-Dienstleistungen, die Banken vorher selbst geleistet haben, werden jetzt an Drittdienstleister outgesourced. Das gleiche gilt auch für das Processing, das nennt man dann BPaaS, Business-Process-as-a-Service.
finanzwelt: Bei welchen Punkten herrschen denn bei Ihren Kunden der größte Bedarf? Was wird aktuell zuerst und so schnell wie möglich gebraucht?
im Brahm: Der aktuelle Fokus liegt in der Tat in der Marktberarbeitung, weil der Wettbewerb sehr groß ist. Zu allen Themen, die unsere Kunden für das Tagesgeschäft nachfragen, gibt es aktuell Projekte. Dabei geht es hauptsächlich um die Optimierung der Customer Experience. Gleichzeitig stellen wir bei unseren Kunden fest, dass sie zunehmend ihr Produktangebot verbessern, Stichwort ESG. Auch dabei geht es um Daten, Datenverarbeitung und Integrationsleistung. Ein Schwerpunkt ist auch die Anpassung der Geschäftsmodelle unserer Kunden in puncto digitale Transformation.
finanzwelt: Gibt es auch ein Thema, der Ihnen persönlich am Herzen liegt? Wo sie sagen, das möchte ich in meiner Position vorantreiben?
im Brahm: Aus der Perspektive eines Dienstleisters geht es darum, den Kunden bestmöglich zu befähigen im Wettbewerb erfolgreich zu sein zu können. Ein Schwerpunkt den ich bei den meisten Kunden sehe, ist die Überleitung des Geschäftsmodells in ein SaaS-Modell. Ich bin davon überzeugt, dass Banken, Asset- und Wealth Manager in der Marktverarbeitung gut aufgestellt sind. Niemand kennt seine Kunden besser als sie. In der Kundenberatung ist das persönliche Erlebnis viel wichtiger als nur eine App. Dazu braucht es vielleicht auch Freiräume und ich möchte den Banken helfen, sich von administrativen Aufgaben zu entledigen. Ich bin davon überzeugt, dass wir als Provider auch gut organisieren und vor allem Skalen produzieren können, Stichwort: economies of scale, über eine Plattform. Klassisches Plattform-Business. Das ist der Fokus meiner Arbeit. Natürlich würde ich auch immer gerne neue Kunden gewinnen, aber der erste Fokus liegt darauf, den Wechsel in das SaaS-Modell voranzutreiben.
finanzwelt: Um nochmal auf das Thema künstliche Intelligenz zurückzukommen, welche Rolle spielt KI bereits in ihren Softwarelösungen und in ihren Angeboten?
im Brahm: KI wird das Banking entscheidend verändern. KI wird Entscheidungsprozesse beschleunigen, Entscheidungsgrundlagen werden breiter fasst und gleichzeitig kann man mit ihr Kundenverhalten und ‑bedürfnisse zu analysieren. Es gibt genug Praxisbeispiele dafür, im Investmentprozess kann ich die Portfoliostruktur über KI optimieren, im Kreditgeschäft kann ich den Entscheidungsprozess optimieren, und auch beim Produktangebot und den Backoffice-Prozessen kann KI unterstützen. Das ist natürlich alles in Software abzubilden, weil es immer Entscheidungspunkte gibt, bei denen KI unterstützt. Im Wesentlichen geht es für die Banken auch darum, dass dann zu monetarisieren, denn Daten sind Gold. Das muss software- und prozessseitig in einem regulatorischen Rahmen abgebildet werden. In unseren klassischen Software-Produkten denken wir ebenfalls in KI. Ich gehe davon aus, dass sich Prozesse in den nächsten zwei bis drei Jahren beschleunigen werden. Wir haben jetzt schon die Diskussion um ChatGPT, da werden jetzt alle wach, auch der Regulator, und man bekommt Respekt vor dem ganzen Thema. Meiner Meinung nach braucht es deshalb auch das grade erwähnte regulatorische Framework. Man muss KI beherrschen und vernünftig einsetzen, zum Wohle der Kunden.
finanzwelt: Wie wirkt sich die aktuelle gesamtwirtschaftliche Lage in Ihrem Bereich, also der DACH-Region, aber auch global, auf Ihr Geschäft aus, vor allem auch im Hinblick auf die „Bankenkrise” (Credit Suisse, Silicon Valley Bank)?
im Brahm: Wiewirken sich generell Krisen auf unser Geschäftsmodell aus? Wenn ich das für Deutschland beantworte, würde ich sagen, die deutsche Wirtschaft ist relativ robust. Gerade im Vergleich zu der Zeit nach der Finanzmarktkrise 2008, als es eine Rezession gab. Trotz der Einschläge, die wir mit COVID, dem schrecklichen Russland-Ukraine-Krieg und einer jüngst „kleineren” Bankenkrise in den USA und in der Schweiz erlebten, zeigten die Märkte sich relativ robust. Es herrscht keine Rezession, sondern eine stabile Wirtschaft. Wir sprechen darüber, ob wir im nächsten Jahr 1 % oder 1,5 % wachsen, je nachdem, wen man befragt. Und ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass sich die Wirtschaft so „gut” schlägt, trotz der schrecklichen Ereignisse. Das gleiche gilt für die Schweiz und Österreich. Wie wirkt sich das auf das Kundengeschäft aus – ich sagte gerade, die total Assets steigen in den Märkten, neun Trillionen total Assets in Deutschland, Jahr für Jahr ein Anstieg. Und auch in den Kundenbeständen sehe ich Wachstum. Das hängt sicherlich mit der Zinspolitik zusammen, weil die Menschen nach entsprechenden Wertanlagen suchen, ungleich eines Sparbuchs, einer Termineinlage, so wie es früher vielleicht der Fall war. So erlebe ich die Situation, ich persönlich hätte mehr negative Auswirkungen erwartet, aber das Umfeld ist stabil. Wie lange das anhält, kann ich jedoch nicht sagen.
finanzwelt: Das Motto Ihrer diesjährigen Customer Conference im April war: „Nachhaltige Innovation in großem Stil”. Was bedeutet nachhaltige Innovation für Sie und Objectway?
im Brahm: Wir haben gerade einen längeren Strategieprozess abgeschlossen, bei dem wir unsere Produktlösungen analysiert haben. Wir haben hinterfragt, ob es Sinn macht, mit Produkten auf Kunden zuzugehen und haben festgestellt, dass es viel sinnvoller ist, vom Kundenbedürfnis her zu denken. Wir müssen unseren Kunden Lösungen anbieten, die ihre Bedürfnisse abdecken. Und unter den Stichwort Nachhaltigkeit verbergen sich sehr viele Aspekte. Es geht um die Auswirkung auf die nachhaltige Kundenbeziehungen und ein nachhaltiges Geschäftsmodell. Innovation findet dann gemeinsam mit unseren Kunden in den Lösungskonzepten statt. Kundenbedürfnisse verstehen und dann gemeinsam mit ihnen Lösungen entwickeln, so entsteht Innovation, die Nachhaltigkeit für die Zukunft ausstrahlt. Das ist die Idee hinter dem Motto. Wir sehen hier drei Schwerpunkte. Zum einen wieder die Customer Experience, das Produktangebot von Banken, Asset und Wealth Managern, darin steckt erneut viel Nachhaltigkeit, und dann auch das eigene Business-Modell unserer Kunden. Denn auch das muss nachhaltig, mit einer zukunftsträchtigen Technologie gestaltet werden, die den digitalen Anforderungen gerecht wird. Damit sind wir laut dem Feedback, das wir gemeinsam mit unseren Kunden besprochen und entsprechende Ansätze entwickelt haben, auf dem richtigen Weg.
finanzwelt: Das bedeutet also, Sie erstellen immer wieder individuelle Lösungen gemeinsam mit den Kunden? Es gibt keinen One-Fits-All-Lösungsansatz?
im Brahm: Generell steht immer der Kunde und eine Plattform im Mittelpunkt, weil Plattform skaliert — economies of scale. Plattform vereinbart Know-how, Economies of Scope, und ermöglicht Standardisierung im Sinne von Kostenreduktion im eigenen Betrieb. Dabei ist auch wichtig, welche Plattform für welchen Kunden funktioniert. Privatbanken und Asset oder Wealth Manager haben natürlich unterschiedliche Geschäftsmodelle, aber es gibt auch Gemeinsamkeiten. Je nachdem kann man dann auch gemeinsame Plattformen nutzen, aber insgesamt steht immer das Kundenbedürfnis im Fokus.
finanzwelt: Vielen Dank für das Interview!